"Deutschland wird jetzt besser regiert"

Veröffentlicht am 29.12.2013 in Bundespolitik

(Foto: Patryk Witt)

Vom Mindestlohn bis zur Mietpreisbremse: Die SPD-Fraktion will den Koalitionsvertrag zügig umsetzen, sagt Fraktionschef Thomas Oppermann in der "BamS". Die Sozialdemokraten seien verlässliche Partner - aber kein Abnickverein.  Hier das Interview:

Bild am Sonntag: Herr Oppermann, wer hat vor fünf Monaten zur möglichen Wiederwahl von Kanzlerin Merkel gesagt: "Es wäre ein großes Unglück. Deutschland würde zurückfallen. Merkel steht für Aussitzen und Stillstand. Acht Jahre sind genug"?

Thomas Oppermann: Lassen Sie mich raten: Ich war das.

Richtig, in BILD am SONNTAG. Wie fühlt es sich jetzt an, Frau Merkel zur Kanzlerin für weitere vier Jahre gewählt zu haben?

Frau Merkel hat einen guten Koalitionsvertrag unterschrieben. Als selbstbewusster Partner wird die SPD darauf bestehen, dass alle Punkte aus dem Koalitionsvertrag vom Mindestlohn bis zur Mietpreisbremse zügig umgesetzt werden. Unser Land wird jetzt besser regiert.

Nach der ersten Regierungserklärung der Kanzlerin in ihrer dritten Amtszeit haben die SPD-Fraktion und auch Sie vergangene Woche applaudiert. Werden Sie künftig die Kanzlerin immer beklatschen?

Das ist für viele von uns gewöhnungsbedürftig, aber die Kanzlerin spricht von nun an auch für den sozialdemokratischen Teil der Regierung. Deshalb bekommt sie, wenn sie etwas Gutes sagt, auch unseren Beifall.

Also nicht immer?

Wir sind nicht die Claqueure der Regierung. Die SPD-Fraktion ist ein verlässlicher Partner, aber kein Abnickverein.

Sie wären gerne Innenminister geworden. Sind Sie enttäuscht, dass es für Sie keinen Platz im Kabinett gab?

Als die Frage nach dem Fraktionsvorsitz aufkam, habe ich zunächst  gezögert. Und zwar aus dem Respekt vor dem Amt und meinen Vorgängern. Nachfolger von Herbert Wehner, Franz Müntefering, Peter Struck und Frank-Walter Steinmeier zu sein, ist keine Kleinigkeit. Ich habe mich geprüft, ob ich der Richtige bin. Nach vielen Gesprächen bin ich zum Ergebnis gekommen: Ich kann das, ich will das und ich werde alles daran setzen, es gut zu machen.

Normalerweise gehört zu den wichtigsten Aufgaben des Vorsitzenden einer Regierungsfraktion, auch in schwierigen Situation die Mehrheit zu gewährleisten. In der Großen Koalition reichen aber schon 5 Stimmen der 193 SPD-Abgeordneten, um Merkels Union eine Mehrheit im Bundestag zu sichern. Was ist Ihr Job in den kommenden vier Jahren?

Uns gibt es nicht als einzelne Abgeordnete, sondern nur zusammen. Die SPD-Fraktion steht für sozialdemokratische Identität. Wir werden die Urheberschaft der SPD am Mindestlohn, an der Regulierung der Leiharbeit, am Doppelpass, an der Rente mit 63 und der Mietpreisbremse deutlich machen.

Die Legislaturperiode dauert vier Jahre. Packen Sie und die SPD die Große Koalition?

Wir treten für vier Jahre an. Es gibt viel zu tun, um den Wohlstand in Deutschland zu erhalten. Dabei geht es vor allem um die Energiewende, die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen, die Beseitigung des Fachkräftemangels.

Und danach setzt die SPD wieder auf Rot-Grün?

Die letzte Bundestagswahl hat die politische Landschaft in Deutschland grundlegend verändert. Es gibt keine festgefügten politischen Lager mehr. Die Grünen regieren in Hessen mit der CDU, die SPD in Brandenburg mit der Linkspartei. Die Lager lösen sich auf. Ob die FDP oder die Linkspartei 2017 koalitionsfähig mit der SPD sind, hängt davon ab, ob Christian Lindner und Gregor Gysi die politische Erneuerung ihrer Parteien auf den Weg bringen.

Grünen-Fraktionschef Hofreiter schreibt Rot-Grün für die Zukunft bereits ab. Und in Hessen koalieren die Grünen ab Januar mit der CDU. Wie einsam wird es um Ihre Partei?

Ich schreibe gar nichts ab, auch nicht die Zusammenarbeit mit den Grünen. Wir regieren in acht Ländern erfolgreich zusammen, das sollte auch Herr Hofreiter nicht klein reden. Schwarz-Grün in Hessen ist ein politisches Experiment. Ich sehe allerdings, dass die Grünen dort auch nur mit Wasser kochen. Im Koalitionsvertrag findet sich kaum grüne Handschrift. Da hat die SPD im Bund mit der Union mehr erreicht.

Ist die FDP dauerhaft aus dem Parlament geflogen?

Ohne inhaltlich überzeugendes Konzept und ein gutes Personalangebot wird es Christian Lindner allein nicht schaffen, die FDP in den Bundestag zurückzuführen.

Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer fordert beim Mindestlohn Ausnahmen für Rentner, Saisonarbeiter und Praktikanten. Ist das mit der SPD zu machen?

Spätestens ab dem 1. Januar 2017 gilt der allgemeine Mindestlohn – genauso wie im Koalitionsvertrag präzise vereinbart. Herr Seehofer weiß, dass er das unterschrieben hat.

Ist das für Sie eine Koalitionsfrage?

Die Frage stellt sich nicht. Die Union wird nicht vertragsbrüchig werden.

Statt die Bürger zu entlasten, hat die Große Koalition erst mal beschlossen, den Rentenbeitrag, der eigentlich ab Januar sinken müsste, konstant zu halten. Das belastet vor allem geringe Einkommen. Wie sozialdemokratisch ist das?

Gerecht ist, wenn Mütter, die ihre Kinder vor 1992 bekommen haben, auch dafür endlich eine Rente erhalten. Gerecht ist, wenn jemand nach 45 Jahren harter Arbeit endlich in Rente gehen kann. Diese Reformen kosten Geld.

In den 45 Jahren sollen auch Zeiten der Arbeitslosigkeit berücksichtigt werden. Wie lange darf man ohne Job gewesen sein, um mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen zu können?

Wer in 45 Jahren Erwerbsjahren einige Jahre unverschuldet in Arbeitslosigkeit geraten ist, darf von dieser Regelung nicht ausgegrenzt werden. Wieviel Jahre genau angerechnet werden, müssen wir noch sehen.

Herr Oppermann, jeder weiß, dass die Rente mit 67 notwendig ist. Die ganzen Ausnahmen, die Sie jetzt einführen wollen, sind doch ein reines Schönwetterprogramm zur Erfüllung Ihrer Wahlversprechen.

Ich widerspreche ganz entschieden. Es geht um die Menschen, nicht um die Ansprüche der Parteien. Wer 45 Beitragsjahre hinter sich hat, darf künftig mit 63 in Rente gehe. Damit geben wir einer Generation, die dieses Land mit aufgebaut hat und unseren Wohlstand ermöglicht hat, das, was ihr zusteht.

Hat die Große Koalition auch vier Jahre Aufschwung beschlossen? Denn nur unter dieser Voraussetzung ist das zu verantworten...

Unsere Pläne sind auch ökonomisch verantwortbar. denn ich sehe gute Chancen für Wachstum in den kommenden vier Jahren. Wir haben eine starke Exportwirtschaft, investieren Milliarden in die Infrastruktur und kurbeln mit dem Mindestlohn zusätzlich die Konjunktur an. Und es bleibt bei der Vereinbarung, ab 2015 keine neuen Schulden zu machen. Das ist unser Versprechen an die junge Generation.

Die EU-Kommission leitet gerade ein Beihilfeverfahren gegen Deutschland ein, weil zu viele Firmen von der Ökostromumlage befreit sind. Was bedeutet das?

Energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, dürfen wir nicht ins Ausland oder in die Pleite treiben. Deutschland ist doch wirtschaftlich deswegen so stark, weil wir von der Grundstoffindustrie bis zu hochwertigen Dienstleistungen die gesamte Wertschöpfungskette im Land haben. Die industrielle Stärke Deutschlands zu beeinträchtigen ist auch nicht im Interesse der EU. Wir sind der Jobmotor Europas.

Wie geht es jetzt weiter?

Wir brauchen die Verständigung mit der EU! Wir wollen die Energiewende fortsetzen, ohne unsere industrielle Basis zu gefährden.

Wird der Bundestag im nächsten Jahr eine Maut für ausländische PKW verabschieden, wie der Koalitionsvertrag es vorsieht?

Der  Kompromiss mit der Union lautet: Die Pkw-Maut darf nur eingeführt werden, wenn kein deutscher Fahrzeughalter stärker belastet wird als heute und wenn das Ganze mit europäischem Recht vereinbar ist. Damit haben die Kleinwagenbesitzer die Garantie, dass auch diejenigen, die wenig Kfz-Steuer zahlen oder davon befreit sind, durch die Maut nicht stärker belastet werden.

Kein Autofahrer heißt wirklich kein Autofahrer?

Ja. So haben wir es im Koalitionsvertrag vereinbart.

Sie sind Jurist und ein kreativer Kopf. Ist unter diesen Bedingungen eine Pkw-Maut nicht ausgeschlossen?

Ein guter Jurist reicht für die Maut nicht aus. Da muss man schon ein Dobrindt sein. Da kann er zeigen, was er kann.

Der Wulff-Prozess soll in wenigen Tagen eingestellt werden, weil die Vorwürfe laut dem Richter nicht belegbar sind. War der Rücktritt des Bundespräsidenten unnötig?

Nein. Christian Wulff ist zurückgetreten, weil er den Anforderungen des Amtes nicht mehr gerecht geworden ist. Aber kaum jemand hat für seine Fehler so hart büßen müssen wie Christian Wulff. Mich würde es freuen, wenn es bald zu einem Abschluss des Gerichtsverfahrens kommt.

Kann Wulff in die Politik zurückkehren?

Es ist noch nie ein ehemaliger Bundespräsident in die Politik zurückgekehrt.

Haben Sie Mitleid mit Ihrem niedersächsischen Landsmann?

Ich wünsche niemandem das, was Christian Wulff durchgemacht hat.

Was war Ihr schönstes Weihnachtsgeschenk?

Ein paar freie Tage mit den Kindern.

Wie feiern Sie Silvester?

Wir feiern zu Hause. Um Mitternacht treffen wir auf der Straße die Nachbarn, stoßen auf das neue Jahr an und freuen uns über das Feuerwerk.

Was wünschen Sie sich für 2014 im neuen Amt?

Ich will Silvester 2014 in den Spiegel schauen und ehrlich sagen können: Wir haben dieses Jahr für die Menschen in Deutschland etwas erreicht.

 

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