AGENDA 2030: Ich gestehe!

Veröffentlicht am 14.05.2021 in Pressemitteilungen
Willi Keller
Willi Keller

Ich gestehe, dass ich im Juli 2018 gegen die Agenda 2030 gestimmt habe, als einer von drei Kreisräten aus dem Renchtal, die die Krankenhausreform abgelehnt haben. Was hat mich damals zu dieser Entscheidung bewogen? Der Eingriff in die Gesundheitsstruktur des flächenmäßig größten baden-württembergischen Landkreises mit schwieriger Topographie wie im Renchtal ist mir zu radikal gewesen. Vor allem hat mir begleitend ein überzeugendes Konzept für eine optimale Gesundheitsversorgung der Bevölkerung im Ländlichen Raum gefehlt. Gemeinsam mit anderen Kollegen habe ich in der SPD-Fraktion auf ein umfassendes Konzept gedrängt. Es ist uns immer wieder das Argument entgegengehalten worden, das sei Sache der Kassenärztlichen Vereinigung und nicht des Landkreises, also auch nicht des Kreistages.Inzwischen reden wir von der Zweiten Säule des Gesundheitswesens im Ortenaukreis. Damit ist dieses veraltete Argument endgültig hinfällig. Die Zweite Säule - zurzeit nur auf dem Papier in Umrissen erkennbar - dient dazu, die Gesundheitsversorgung im Ländlichen Raum außerhalb des Klinikbetriebes, aber in Kooperation mit ihm zu verbessern. Die drei Gutachten zur Gesundheitspolitik, mit denen sich der Kreistag seit 2013 befasst hat, sind schwerpunktmäßig auf die Kliniken ausgerichtet gewesen. Im ersten Gutachten 2013 ist den 9 Standorten eine gute Zukunft bescheinigt worden, wobei auch auf Schwächen hingewiesen worden ist. Damals hat es der Kreistag versäumt, die richtigen Konsequenzen zu ziehen und das Gesundheitssystem in der Ortenau vertieft auf wirkliche Zukunftsfähigkeit zu analysieren. Mit der neuen Geschäftsführung des Ortenau-Klinikums hat sich alles schlagartig geändert. Der Fokus ist auf eine neue Krankenhausstruktur gerichtet worden – mit dem Argument, dass die Defizite der Krankenhäuser immer größer würden, wenn man nicht die Kräfte konzentriere. Dem Kreistag sind mehrere Modelle vorgelegt worden, alle mit dem Ziel, nur noch wenige Standorte oder gar nur einen zu erhalten. Die mitunter harte Diskussion hat im Kompromiss „Agenda 2030“ geendet. Er bedeutet, dass in Offenburg ein neues Großklinikum entsteht, Achern einen Neubau bekommt, Lahr funktional ausgebaut wird und Wolfach aus geopolitischen Gründen bestehen bleibt. Der Standort Gengenbach ist schon bald nach dem Beschluss zur „Agenda 2030“ geschlossen worden. Oberkirch ist in der Phase der Sterbebegleitung, Ettenheims Ende naht und der Standort Kehl wird wohl noch einige Zeit existieren. Die Entwicklung widerspricht in etlichen Punkten der „Agenda 2030“, vor allem was die vorzeitige Schließung von Standorten und die Überprüfungsklausel betrifft. Diese Klausel ist mit der Schließung des Krankenhauses in Oberkirch ad absurdum geführt. Es stellt sich die Frage, ob sie von der Geschäftsführung des Ortenau-Klinikums jemals ernst genommen worden ist. 

Ich gestehe, dass ich im Dezember 2020 im Kreistag gegen die ergänzte Verwaltungsvorlage zur Zukunft des Standortes Oberkirch gestimmt habe. Aus der Vorlage ist eindeutig zu lesen gewesen, dass der Standort mit der Einrichtung eines Pflegeheims bald geschlossen wird. Dieser Schritt ist für mich einfach nicht nachvollziehbar gewesen. Von dem abgesehen, dass ich die Einrichtung von weiteren Pflegeplätzen lieber freien Trägern überlassen hätte. Dieser Schritt ist deshalb für mich nicht nachvollziehbar gewesen, weil zur gleichen Zeit über den Aufbau der „Zweiten Säule“ des Gesundheitswesens debattiert worden ist. Das Basispapier zur „Zweiten Säule“ habe ich mit Unterstützung von Fraktionskollegen für die SPD im Kreistag verfasst. Es ist dann im Sommer 2020 gemeinsam mit der CDU-Fraktion weiterentwickelt worden. Ich will damit nur einmal dokumentieren, dass ich kein Sozialromantiker bin, der an alten Strukturen um ihrer selbst willen hängt. Reformen sind wichtig, aber sie müssen gerade in der Gesundheitspolitik für gleichwertige Lebensbedingungen auf Kreisebene sorgen. Mit den Entscheidungen vom Dezember 2020 und Mai 2021 machen wir den zweiten Schritt vor dem ersten. Der Standort Oberkirch wird geschlossen, obwohl der gewählte Geschäftsführer für die „Zweite Säule“ seine Arbeit noch gar nicht aufgenommen hat. Möglicherweise übernimmt er die Aufgabe erst Anfang November dieses Jahres. Folgerichtig wäre gewesen, zunächst einmal den Geschäftsführer in Ruhe eine Konzeption für die Gesundheitsversorgung im Ländlichen Raum des Ortenaukreises entwickeln zu lassen. Mit der Schließung und der vorschnellen Umwandlung des Standortes Oberkirch ist ihm schon im Vorfeld ein wichtiges Instrument aus der Hand genommen worden. Das Haus hätte sicherlich Möglichkeiten für eine vielfältige Nutzung geboten. Mit der Umwandlung sind die Möglichkeiten begrenzt. Man kann nur hoffen, dass der Geschäftsführer der „Zweiten Säule“ in seinem Job sehr viel Eigenständigkeit und Selbstbewusstsein entwickelt - und ein guter Zuhörer ist. Sein eigentlicher Ansprechpartner ist nämlich die Bevölkerung des Ländlichen Raumes. In einer bundesweiten Umfrage Anfang 2019 hat die AOK versucht, herauszufinden, wo die Menschen im Gesundheitswesen der Schuh drückt. Zitat aus der Umfrageanalyse: „Unterscheidet man hier zwischen Stadt und Land, so zeigen sich Bewohner in ländlichen Regionen deutlich unzufriedener mit dem Angebot an Krankenhäusern und Fachärzten. Das gilt allerdings auch für Einkaufsmöglichkeiten, die Internetversorgung, das kulturelle Angebot sowie den ÖPNV und deutet auf grundlegende strukturelle Probleme hin. Bei der Frage, ob sich die Situation verschlechtert hat, stimmen vor allem Befragte aus kleinen und mittleren Städten zu. Das betrifft insbesondere die Versorgung mit Haus-, Fach- und Kinderärzten.“ Vor Jahren hat man noch – mit Einschränkungen - sagen können, dass der Ortenaukreis gut versorgt ist im Gesundheitswesen. Mit der Agenda 2030 ändert sich grundlegend vieles. Wenn die „Zweite Säule“, mit der große Hoffnungen und Erwartungen verbunden sind, nicht richtig aufgebaut wird, hat der Ländliche Raum im Ortenaukreis schwerwiegende Defizite zu beklagen. 

Willi Keller, Kreisrat

 

 

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